Donnerstag, 20. Dezember 2012

Wie nah sollte eine sozialwirtschaftliche Organisation zu den Auftraggebern bzw. Kostenträgern sein?

Viele Organisationen der Sozialwirtschaft weisen in ihren Aufsichts- oder Exekutivorganen eine personelle Verflechtung zu wichtigen Auftraggebern und/oder Kostenträgern auf.

Doch wie gut ist es, wenn Vertreter der Verwaltung oder Politik erkennbar im Aufsichtsrat, Vorstand etc. sitzen? Ist es von Vorteil bei der Auftragsvergabe im Rettungsdienst oder der Beschäftigungsförderung, wenn ein Landrat, Bürgermeister oder Fraktionsvorsitzender gleichzeitig eine Vorstandsfunktion bei einer Organisation bekleidet? Bringt diese Nähe einen dauerhaften Wettbewerbsvorteil? Können soziale Organisationen ihrem ideellen Auftrag gerecht werden bzw. ihre Interessen in der Öffentlichkeit konsequent vertreten, wenn sie in der strategischen Führungsebene Personen sitzen haben, die zum Beispiel bei notwendigen Haushaltskürzungen einer Stadt eine politische Verantwortung tragen?

In der Presse wird meist mit einem negativen Grundtenor auf diese persönlichen Verflechtungen hingewiesen. Doch sind diese tatsächlich so hilfreich, oder sind sie eher kontraproduktiv?

Ich neige aufgrund unserer Erfahrungen eher zu der Einschätzung, dass es meistens kein Vorteil und oft genug eher ein Nachteil ist. Aktive politische Amtsträger in ehrenamtlichen Führungsfunktionen sind oft in einem Interessenskonflikt. In ihrer politischen Funktion verfügen sie über finanzielle Mittel der Bürger, anderer staatlicher Stellen oder der Sozialversicherungen und sind selbstverständlich gehalten, mit diesen nach den üblichen Regeln einer wirtschaftlichen Mittelverwendung umzugehen. Dazu gehört eine transparente Auswahl von Leistungserbringern, eine Beschränkung der Auftragsvergabe auf das Notwendige und auch die Sicherstellung einer grundsätzlichen Marktneutralität.

Eine offensive Vertretung der Interessen "ihrer" Organisation macht politische Entscheidungsträger grundsätzlich für vielerlei Angriffe anfällig. Daher fällt die Entscheidung in einer erkennbaren Konfliktsituation meist für die persönlich und ggf. existenziell wichtigere Funktion, und diese ist eben von wenigen Ausnahmen abgesehen nicht das Amt für eine soziale Organisation. Im Zweifelsfall wird eher versucht, sich in wichtigen Entscheidungssituationen neutral zu verhalten. Im ungünstigen Fall - etwa vor Wahlen oder wenn der politische Gegner oder noch schlimmer der Parteifreund Druck aufbaut - kommt es sogar dazu, dass die eigene Organisation sogar schlechtere Karten hat, um auf keinen Fall den Eindruck einer Parteilichkeit zu erwecken. In solchen Fällen ist eine zu große Verflechtung in Spitzenfunktionen von Nachteil.

Aber auch eine generelle Nähe einzelner Organisationen zu Parteien kann gefährlich sein, wenn es zu einer Abwahl der befreundeten Partei kommt. Dies war eine Zeit lang insbesondere im Osten der Republik gut zu beobachten.

Daher möchte ich die These aufstellen, dass soziale Organisationen gut beraten sind, ihre Spitzengremien nicht mit Spitzenvertretern aus der Politik oder Verwaltung zu besetzen. Die notwendige Lobbyarbeit sollte anders erfolgen und die ebenfalls erforderliche Neutralität sollte gewahrt werden.

Wie denken Sie? Ich freue mich auf Kommentare oder Mails unter nagy@rosenbaum-nagy.de.

Herzliche Grüße und besinnliche Festtage,

Attila Nagy

Donnerstag, 13. Dezember 2012

Die wenig bekannte Liquiditätsfalle in der stationären Pflege

Liebe Leserinnen und Leser,

neben vielen anderen oft nicht erkannten Risiken in der stationären Pflege, von denen noch in anderen Posts die Rede sein wird, tickt in der stationären Pflege auch eine Liquiditätsfalle, in der sich mittlerweile viele Träger befinden dürften - ohne dies sich tatsächlich zu vergegenwärtigen.
 
Wenn man unterstellt, dass die I-Kosten bei selbstgenutzten Pflegeimmobilien regelmäßig nach unten angepasst werden (wovon zukünftig realistischerweise auszugehen ist), da der Zinsanteil systematisch sinken wird, kann selbst bei einem ausgeglichenen Ergebnis folgende Liquiditätsfalle drohen:

·         Bei der üblichen annuitätischen Tilgung gibt es gleichmäßige Monatsraten für den Kapitaldienst.

·         Oft entspricht bei der Anfangsrate die Tilgung in etwa der AfA oder liegt sogar unter dieser. Hinzu kommt der Zinsanteil.

·         Wenn zukünftig bei den I-Kosten der Zinsanteil nur in der tatsächlichen Höhe angesetzt wird, entsteht in der GuV-Betrachtung kein Defizit, da der Tilgungsanteil nicht ergebniswirksam ist und der Zinsanteil refinanziert ist.

·         Anders ist es in der Liquiditätsbetrachtung (die so gut wie kein Träger anstellt): hier sind die Ausgaben für den stetig steigenden Tilgungsanteil nur in Höhe der AfA refinanziert. Das heißt, bei Immobilien, die ca. 15-20 Jahre alt sind, erhebliche Beträge bereits getilgt wurden und die I-Kosten neu berechnet werden, besteht bis zur vollständigen Rückzahlung der Darlehen eine Liquiditätslücke, die sich erst bei komplett zurückgezahlten Darlehen (=Wegfall des Kapitaldienstes, trotzdem weiterhin Finanzierung der AfA) wieder perspektivisch kompensiert. Diese grundsätzliche Problematik kann durch eine hohe Auslastung ein Stück weit kompensiert werden – aber nur dann, wenn die Überschüsse nicht durch Defizite in den Bereichen Pflege/U+V nicht aufgefressen werden.

·         Folgende Grafik stellt die oben beschriebene Problematik eines 100-Betten-Hauses vereinfacht dar, wobei sich viele Träger – ohne es zu merken – in der rot eingekringelten Phase befinden:

 

·         Die Problematik wird durch eine höhere Belegung gemildert, durch eine schlechte Belegung der Häuser, die zur Zeit ca. 15-25 Jahre alt sind, bzw. operative Defizite jedoch weiter verschärft.

·         Die für viele Träger kurzfristigst bevorstehende Veränderung einer sich absenkenden I-Kostenrefinanzierung kann grundsätzlich durch eine Umstellung auf ein Investor-Betreiber-Modell gelöst werden. Hierbei würden die I-Kosten gleich bleiben, wenn eine gleich bleibende Miete erhoben wird. Dies ist in der Regel so lange möglich, wie die ortsüblichen Mieten nicht überschritten werden.

·         Wegen der oben geschilderten Problematik des „klassischen“ Investor-Betreiber-Modells wäre hier ein verbandsinternes Fondsmodell zu erwägen. Aufgrund des aktuellen Zinsumfeldes und der hohen Dringlichkeit wäre eine kurzfristige Lösung anzustreben.
 
Wenn Sie Interesse an einem Austausch zu diesem Thema haben, freue ich mich über Ihre Kontaktaufnahme, z.B. per Mail unter nagy@rosenbaumnagy.de
 
Herzlichst, Ihr
Attila Nagy